3) Terra Preta in der Schule
(abgeschlossen)
Albert-Einstein-Gymnasium Hameln: Terra Preta Anwendung im Schulgarten – Schüler*innen entdecken die Pflanzenkohle
Der vom Schulgarten genutzte Gartengrund besteht aus zwei nebeneinander liegenden Parzellen in der Kolonie „Abendfrieden“, die in der Nähe des Gymnasiums liegt. Die beiden hauptverantwortlichen Lehrerinnen engagieren sich auch im Vorstand des Kleingartenvereins.
Mit Beginn der Gartensaison im März 2021 wurden zwei Pyrolyseöfen geliefert (siehe Abbildung oben) und die Schüler*innen wurden mit der Arbeitsweise des Ofens vertraut gemacht. Die ersten Schritte wurden mit der Umwandlung von Holzpellets gemacht. Da im Ofen auch Kleinholz verwendet werden kann, kamen zwei Schüler*innen auf die Idee, ausrangierte Paletten zu besorgen und daraus Kleinholz herzustellen. Sie schleppten mehrere Säcke voll Kleinholz an und versorgten so die Pyrolyseöfen das ganze Gartenjahr über mit Brennmaterial. Die erzeugte Holzkohle wurde am Anfang noch kleingetreten, später organisierte Oberstudienrätin Hänel einen kleinen Messerschredder, mit dem sich die Holzkohle sehr gut zerkleinern ließ, denn die Holzkohlenstückchen sollen ja durchs Maul der Regenwürmer passen. Die Schüler*innen erfuhren, dass eine Besiedlung mit nützlichen Bakterien im Darm des Regenwurms stattfindet. Neuerdings wird erwogen, auch einen Walzenschredder anzuschaffen, der Baumschnitt zu daumengroßen Stückchen schreddern kann, nach Trocknung hätte man dann noch eine zweite Quelle für selbst hergestelltes Brennmaterial. Es entspann sich eine Diskussion über die chemisch-physikalischen Prozesse bei der Holzkohlenherstellung. Sagawe berichtet darüber, dass die Holzkohle auf evtl. enthaltene polyzyklische aromatisierte Kohlenwasserstoffe (PAK) untersucht wurde. Die Werte lagen unter der Nachweisgrenze. Immer vorausgesetzt, dass unbelastetes trockenes Material eingesetzt wird. Die Schüler*innen wurden genau instruiert, wie mit dem Ofen umzugehen ist. Wichtig ist, dass der Ofen nach Beendigung des Pyrolyseprozesse auf eine Steinfläche oder in ein Blechgefäß ohne Wasser ausgekippt wird, um Verbrühungen durch Dampfbildung zu vermeiden. Die kontrollierte Ablöschung mit Gießkanne erfolgt erst anschließend.
Der Pyrolyseprozess wird mit einer speziellen Lüftungsregelung so eingestellt, dass eine rauchlose Flamme entsteht. Messungen durch einen Schornsteinfeger hatten ergeben, dass nur äußerst geringe Mengen Kohlenmonoxid frei werden. „Da können sie stundenlang mit kochen“, so seine Aussage. Und so wurden denn auch eifrig Crepes und Popcorn hergestellt und verzehrt.
Bevor mit der Ausbringung der Terra Preta auf die Beete begonnen wurde, wurden bei der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt in Hameln Bodenproben zur Untersuchung eingereicht, so kann man die Entwicklung in den folgenden Jahren besser beurteilen.
Dann ging es um die Herstellung des Pflanzenkohlesubstrates. Die Schülerin und die Schüler lernten: man braucht mindestens drei Dinge für die Herstellung einer Terra Preta: 1. Weiches Grünmaterial, 2. Holzkohle (mind. 10 %), 3. Milchsäurebakterien für die Fermentation, dem kann noch Dung hinzugefügt werden.
Die Schüler bekamen vermittelt, dass eine Fermentation unter weitgehendem Luftabschluss weitaus weniger Treibhausgase emittiert als das bei normalem Kompost der Fall ist. Am Anfang wurde das Material in runden Maurerkübeln gemischt und dann einfach umgedreht auf den Boden gestellt, so war hier für Luftabschluss gesorgt und nach acht bis 10 Wochen war die Terra Preta dann fertig, wenn das Material nussig, pilzig roch. Es wurde dann auf die ersten Beete verteilt, zur Ernährung der Bodenlebewesen wurde auf Mulchen geachtet.
Am Anfang wurde sehr gerne Rasenschnitt als Material genommen, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass hierbei auch viele Insekten eingesogen und getötet werden, es wurde dann auf Laub und andere grüne Gartenreste zurückgegriffen. Nachdem man den Kaffeesatz aus dem Lehrerzimmer zeitnah mit Milchsäurebakterien behandelte, schimmelte dieser nicht mehr und fand ebenfalls Verwendung. Als zweite Methode wurden dann von den Kindern Fermentationstürme aus alten Paletten gebaut und innen mit PE-Folie ausgekleidet. Dabei ergab sich ein kleines Problem: Gefragt, ob das Material zu 80% oder zu 100% luftdicht sein sollte, gab ich die Empfehlung: Nehmt 100% dichtes Material. Dabei mussten wir lernen, dass dieses Material extrem steif und nur schwer zu verarbeiten ist, die Kinder schafften es trotzdem. Diese Türme erhalten einen schwimmenden Deckel, so dass das Material immer weitgehend von Sauerstoff abgeschirmt ist. Unten sind diese Behälter mit breiten Klappen ausgestattet, sodass man nach einiger Zeit Material rausnehmen kann, neues Material kann dann von oben nachgelegt werden. Es wurden zwei Türme gebaut, die es gestatten, das anfallende Material in Ruhe reifen zu lassen.
Beim Umwelttag im September hatte der Garten seine Pforten für Besucher geöffnet, die Schüler erläuterten den Besuchern das neu im Garten angewendet Terra Preta Prinzip.
Die Einrichtung einer Terra Preta Trenntoilette wurde als nächstes überlegt. Urin ist weitgehend steril, wird mit Wasser verdünnt und im Garten vergossen. Die festen Stoffe werden dann in den Fermentationstürmen mit verarbeitet. Es stellte sich heraus, dass der kleine quadratische vom Gartenhäuschen abgetrennte Raum, der Tische, Bänke und das Kleinholz beherbergt, früher einmal die Toilette war. Diese Funktion soll nun wieder hergestellt werden, sodass dann im Schulgarten eine Kreislaufwirtschaft demonstriert werden kann: Nahrung anbauen, zu sich nehmen, verdauen, ausscheiden und dem Kreislauf wieder zuführen. Den Schülern*innen wurde das zentrale Bauteil einer solchen Toilette gezeigt: Das große Oval ist zweigeteilt: Hinten für die festen Ausscheidungen, vorne wird das Flüssige aufgefangen und über einen Schlauch abgeführt. Ein kleines Häuschen ist als Ausweichquartier für Bänke und Brennholz schon vorhanden, zur Zeit nur als Bausatz – das ist das Bauprojekt fürs kommende Jahr.
Das im Sommer durch Praxis erworbene Wissen wurde durch zwei Unterrichtseinheiten von je 1,5 Stunden theoretisch untermauert: Ein Grundsatzvortrag zu Terra Preta mit Power-Point-Präsentation und ein kurzer Vortrag zum Permakulturgarten Bec Hellouin: Durch Anlage von Hügelbeeten und Mischkulturen, die sich gegenseitig unterstützen, durch Integration von kleinen Obstbäumen und Beerenobststräuchern wurden stabile Biotope geschaffen, die eine große Fruchtbarkeit zur Folge haben. Auf 1.000 Quadratmetern wird auf diese Art und Weise jährlich Gemüse im Wert von 57.000 Euro erzeugt. Die Gartengruppe würde dort gern mal zur Besichtigung hinfahren.
Gezeigt wurden drei Kurzfilme und eine Dokumentation zu den Themen: 1. Biodiversität des Bodenlebens aus „Good Food – Bad Food“ von Coline Sereau 2. Die Bedeutung der Kooperation zwischen Pilzen und Pflanzen (ARD) 3. Der Einsatz von Pflanzenkohle in der Rinderhaltung durch Bauer Unkelbach (ARD) 4. „Die Wiederentdeckung der Terra Preta“ ZDF, 2011, ca. 45 Min. Dieser Film zeigt die Wiederentdeckung der Terra Preta als alte Kulturtechnik indigener Völker in Brasilien und den Versuch deutscher Unternehmen, dieses Verfahren zu patentieren. Rainer Sagawe konnte berichten, dass diese Patentierungsbestrebungen von einem Patentgericht für null und nichtig erklärt wurden mit der Folge: „Die Terra Preta ist frei“, frei für die Anwendung durch jedermann und jede Frau, zur Fruchtbarmachung der Böden, zum Erhalt der Biodiversität und zur Schaffung von CO2-Senken.
Aufgrund der Corona-Pandemie konnte das Thema nicht in dem Umfang unterrichtet werden, wie es wünschenswert gewesen wäre, trotzdem ist es gelungen, die wesentlichen Inhalte zu vermitteln und Begeisterung zu wecken. Die Gartengruppe hat schon Pläne, wie sie dieses Thema im kommenden Jahr weiterentwickeln will.
Rainer Sagawe, Hameln, Dezember 2021
– dieses Projekt wurde finanziert von der Bingo-Umweltstiftung, Hannover.